Urteil Nr. 939 - Vorsitzender Spruchausschuss

06.08.2020
Finanziell: Nein
TTC Sand // Verbandsspielleiter

In dem wegen Nichtantretens durch den Pfälzischen Tischtennis-Verband e.V., vertreten durch den Präsidenten Heiner Kronemayer, dieser hier vertreten durch den Verbands-spielleiter Sascha Lürtzener – Einspruchsgegner - eingeleiteten Disziplinarverfahren gegen den TTC Sand,  vertreten durch den 1. Vorsitzenden Christoph Ludes, dieser hier vertreten durch Bernd Wilner – Einspruchsführer - hat der Spruchausschuss in der Besetzung Harz (Vorsitzender), Spohn und Fink (Beisitzer) ohne mündliche Verhandlung am 09.07. 2020 folgende Entscheidung getroffen:

1. Der Einspruch wird abgewiesen.
2. Der Einspruchsführer trägt die Kosten des Verfahrens.
G r ü n d e
In der Saison 2019/2020 hatte der Einspruchsführer (Ef.) eine Damenmannschaft gemeldet, die in der 2. Pfalzliga West am Start war. Laut amtlichem und veröffentlichtem Terminplan war am Samstag, den 15.02. 2020 das Heimspiel gegen TTC Brücken angesetzt. Zwischen den Mannschaftsführerinnen fand vorher eine Kommunikation wegen einer Spielverlegung statt. Eine Einigung kam jedoch nicht zu Stande. Der Ef., der für diese Mannschaft zwölf Spielerinnen gemeldet hatte, sagte das Spiel gegen Mittag des 14.02. sowohl gegenüber dem Einspruchsgegner (Eg.) als auch gegenüber der Gästemannschaft wegen Spielerinnenmangels ab. Am 17.02. 2020 veröffentlichte der Eg. Urteil Nr. 893, wonach dem Ef. eine Geldbuße in Höhe von 100 Euro wegen Nichtantretens auferlegt wurde.
Am 22.02. 2020 erhob der Ef. per email Einspruch gegen die Geldbuße. Am gleichen Tag wurden 30 Euro Einspruchsgebühr dem PTTV angewiesen.
Der Einspruchsführer lässt sich dahingehend ein, dass laut Kostenordnung (KostenO) kei-ne Geldbuße fällig werde, wenn die letzte Mannschaft des Vereins in einem begründeten Fall nicht antrete. Ein solcher sei hier gegeben und auch dem Eg. mitgeteilt worden, dass wegen Krankheit, Schichtarbeit und Urlaub eine Mannschaft nicht habe gestellt werden können. Zuletzt sei am Vorabend ein weiterer Krankheitsfall gemeldet worden. Der Ef. beklagt, dass er wegen der Meldung von zwölf Spielerinnen schlechter gestellt sei, als Vereine, die nur fünf Namen aufführen. Es sei aber erkennbar, dass ein Großteil der Spielerinnen nur ausnahmsweise und in Notfällen einspringen würden. Der Mannschafts-stamm bestehe aus nur sechs Spielerinnen. Auf Nachfrage teilt der Ef. mit, dass am Spieltag zwei Spielerinnen bereit gewesen seien. Ferner seien vier krank, eine Spielerin beruflich verhindert und eine in Urlaub gewesen. Schließlich habe sich eine Akteurin ab-gemeldet, zwei weitere seien wegen einer Familienfeier und eine weitere wegen ihres Abiturs nicht zur Verfügung gestanden.
Letztlich rügt der Ef. eine Ungleichbehandlung, weil am gleichen Spieltag eine andere Mannschaft ungestraft nicht angetreten sei.
Der Einspruchsführer beantragt die Aufhebung der im Urteil Nr. 893 ausgesprochenen Geldbuße und die Erstattung der Kosten.
Der Einspruchsgegner beantragt den Einspruch abzuweisen.
Er erwidert, dass er Krankheit und berufliche Verpflichtungen als Begründung akzeptiere. Hier seien jedoch im Übrigen nur pauschale Begründungen abgegeben worden. Ferner habe er aus der Nachricht der Mannschaftsführerin geschlossen, dass einigen Spielerinnen einfach nur die Lust gefehlt habe, was als ausreichender Grund nicht hingenommen werden könne. Der vom Ef. erwähnte Parallelfall sei nicht vergleichbar, weil dort nach Abzug der wegen Krankheit und beruflicher Verhinderung ausgefallenen Spielerinnen keine Mannschaft in Mindeststärke hätte gestellt werden können.
Der Spruchausschuss hat Beweis erhoben durch Befragung der Mannschaftsführerin der Gästemannschaft. Mit Beschluss vom 20.03. 2020 wurde das Verfahren ausgesetzt und am 21.06. 2020 wieder aufgerufen.
Der gemäß § 1, Abs. 2 Rechtsordnung (RechtsO) statthafte Einspruch ist zulässig, denn der Ef. ist gemäß § 3, Ziffer 2 PTTV-Satzung Verbandsmitglied und demnach gemäß § 7 RechtsO anrufungsberechtigt. Auch das in § 8 RechtsO geforderte Rechtsschutzbedürfnis ist zu bejahen, weil dem Ef. eine Geldbuße auferlegt wurde, die seinen eigenen Haushalt belastet. Der Einspruch wurde auch klar innerhalb der in § 9, Nr. 2 RechtsO vorge-sehenen Frist erhoben, nachdem der Einspruch schon fünf Tage nach Veröffentlichung des Urteils erhoben und zugestellt wurde. Die sich aus § 11, Abs. 2 und 3, § 9, Nr. 2 RechtsO, D. KostenO ergebende Verpflichtung zur Zahlung der Einspruchsgebühr war ebenfalls seitens des Ef.s frühzeitig erfüllt worden.

In der Hauptsache bleibt dem Einspruch jedoch der Erfolg verwehrt. Die Verhängung der Geldbuße in Höhe von 100 Euro war gemäß B. 2.12, 2. Alternative KostenO rechtmäßig. Das für die „letzte Mannschaft“ in B. 2.12 KostenO vorgesehene Privileg greift hier nicht. Zwar handelt es sich hier um eine „letzte Mannschaft“, weil der Ef. im Bereich der Damen nur eine Mannschaft gemeldet hatte und somit keine weitere Mannschaft nachfolgte, auf deren Spielerinnenreservoir hätte zurückgegriffen werden können. Nach Ansicht des Spruchausschusses liegt hier jedoch kein „begründeter Fall“ vor.
Zunächst ist der Spruchausschuss der Auffassung, dass der Begriff „begründeter Fall“ nicht der Unklarheitenregel zum Opfer fällt, sondern hinreichend bestimmt und die Norm B. 2.12 KostenO insgesamt anwendbar ist. Dies folgt daraus, dass die Bestimmung in ihrem Zusammenhang, nämlich als Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit im Bereich Wett-kampfsport gesehen werden muss, auf die sogar ausdrücklich in I 5.12 Wettspielordnung (WO) Bezug genommen wird. Jedermann, der mit der erwähnten Strafnorm konfrontiert wird, ist somit klar, dass es hier nicht bloß um die naturwissenschaftlich-technische Be-gründung geht, sondern um eine rechtliche, im Sinne einer Rechtfertigung oder Entschul-digung. Nachdem auch der Gesetzgeber und die Justiz dieselbe Formulierung verwenden (z.B. § 7, Abs. 1 AufenthG), begegnet die Verwendung dieses Ausdrucks auch in der KostenO keinen Bedenken.
Ein begründeter Fall lag nach Ansicht des Spruchausschusses nicht vor, denn ein solcher ist nur zu bejahen, wenn ein Antreten mindestens objektiv unmöglich ist und es trotz Ergreifens organisatorischer Maßnahmen des Vereins nicht zugemutet werden kann. Wenn im Amateursport Spielerinnen krankheits- bzw. verletzungsbedingt oder wegen beruflicher Verpflichtungen ausfallen, liegen unzweifelhaft schwerwiegende Gründe vor, die zu einem begründeten Fall gemäß B. 2.12 KostenO führen können. Häufig wird dies auch für urlaubsbedingte Abwesenheit gelten, v.a. bei Reservespielern oder wenn der oder die Betroffene mit ausreichendem zeitlichen Vorlauf den Verein benachrichtigt und sich dieser um Ersatz bemüht hat. Ob familiäre Anlässe als Entschuldigung ausreichen, hängt vom Einzelfall ab. Die mögliche Bandbreite von Familienfeiern reicht von einem „nicht-runden“ Geburtstag eines entfernten Verwandten bis zur eigenen Hochzeit, der eines nahen Angehörigen, der Taufe des eigenen Kindes etc. Auch die räumliche Entfernung und die zeitliche Überschneidung kann eine Rolle spielen bei der Frage, ob ein verspätetes Eintreffen oder eine Pause von vielleicht drei Stunden wegen eines Notfalls in der eigenen Tischtennismannschaft zugemutet werden kann. Im konkreten Fall kann in Ermangelung näherer Angaben keine Beurteilung des Absagegrundes „Familienfeier“ erfolgen. Abschließend lässt sich hier auch der Ausfall einer einzelnen Spielerin wegen „Abmeldung“ nicht bewerten. Hier lässt der Ef. einen genügend substantiierten Vortrag vermissen.
Letztlich sind diese Ausfälle für den vorliegenden Fall auch nicht entscheidungserheblich, weil zwei Spielerinnen spielbereit waren, so dass zum Erreichen der Mindeststärke nur noch eine Spielerin erforderlich gewesen war (E 6.3 WO). Dem Ef. wäre ein Antreten mit drei Spielerinnen möglich, zumindest zumutbar gewesen, weil der Ausfallgrund „Abitur“ keinesfalls als solcher akzeptiert werden kann. Am Abend des amtlichen Spieltermins fand ebenso wenig wie am Folgetag (Sonntag) eine Prüfung statt. Wenngleich die herausragende Bedeutung der Prüfung und die Notwendigkeit einer intensiven Vorbereitung unbestreitbar ist, kann in keiner Weise nachvollzogen werden, weshalb an einem Wochenende es nicht zumutbar sein soll, maximal drei Stunden für ein Mannschaftsspiel zu investieren.
Nicht hilfreich ist der Verweis des Ef.s auf den Parallelfall, in dem keine Bestrafung erfolg-te. Abgesehen davon, dass dieser Fall gerade nicht Gegenstand des Verfahrens ist und die Grundvoraussetzungen erkennbar anders lagen, hätte der Ef. auch keinen Vorteil, falls dort irrtümlich auf die Strafe verzichtet worden wäre, weil es stets keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gibt.
Nicht stichhaltig ist der Einwand des Ef.s Vereine mit vielen gemeldeten Spielern in der letzten Mannschaft seien schlechter gestellt als die Vereine, die nur wenige Namen ange-ben können. Der Ef. verhält sich widersprüchlich, wenn er einerseits nahezu alle Spielerin-nen seiner langen Liste während der Saison einsetzt und dann andererseits beklagt, die Spielerinnen seien „eigentlich“ nicht verfügbar. Vor allem aber ist darauf hinzuweisen, dass gemeinnützige Sportvereine sich in ihrer Satzung stets der Sportförderung verschrie-ben haben. Spiele ausfallen zu lassen, bedeutet indessen Sportverhinderung, also das Gegenteil von Sportförderung. Vereine, die auch für ihre „letzte“ Mannschaft viele Namen auf dem Zettel haben, verringern damit das Risiko, dass es zu Spielausfällen kommt und leisten dadurch einen Beitrag zur Erfüllung ihres Vereinszwecks. Sie sind damit im Vor- und gerade nicht im Nachteil.
Ein Verein, dem die Ersparnis geringer Abgaben wichtiger ist, als die Förderung des ei-gentlichen „operativen Geschäfts“, muss sich fragen lassen, weshalb er überhaupt Spieler und Spielerinnen meldet, welche von vorne herein nicht als Stammspieler zur Verfügung stehen.
Dem Spruchausschuss obliegt es nicht sportpolitische Entscheidungen zu treffen, wes-halb im Rahmen dieses Urteils auch keine Erörterung des Zwecks einer Geldbuße wegen Nichtantretens erfolgt. Dennoch soll an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen wer-den, dass es im Interesse des Verbandes liegen muss Spielabsagen weitestgehend zu vermeiden. Das Risiko von Spielausfällen könnte gewiss deutlich gesenkt werden, wenn der Ordnungsgeber von der in G 6.2.2 WO enthaltenen Ermächtigung Spiele nachzuver-legen, Gebrauch machen würde. Im Zuge der immer kleiner werdenden Spielklassen wäre dies auch organisatorisch leicht zu bewerkstelligen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 36, Abs. 1 RechtsO.

H a r z
S p o h n
F i n k

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G
Gegen dieses Urteil ist eine Berufung statthaft.
Diese ist innerhalb drei Wochen einzulegen. Die Frist beginnt mit dem nächsten Montag, der auf die Veröffentlichung im Internet (www.pttv.de) folgt. Für die Berechnung des Fristendes ist der Zugang der Berufungseinlegungsschrift bei der Rechtsausschuss-Vorsitzenden maßgebend. Die Berufung ist in vierfacher Ausfertigung an den PTTV-Rechtsausschuss, zu Händen von Frau Cornelia Weber, Johann-Kraus-Straße 13 b, 67227 Frankenthal, zu richten.
Innerhalb der oben genannten Frist muss eine Gebühr in Höhe von EUR 50 auf das Verbandskonto eingezahlt werden.
(Bankverbindung: IBAN: DE28 5462 0093 6600 1550 06 bei der HypoVereinsbank Neustadt/W.)
Als fristwahrend gilt das Datum der Einzahlungsquittung.
Verbandsmitarbeiter sind von der Gebührenpflicht befreit, sofern sie als PTTV-Organ betroffen sind.

Jürgen Harz
Vorsitzender Spruchausschuss
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